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Texte

Texte zu Werk und Person Eugen Zimmermanns

Ausgewogene Kompositionen

von Roswitha Frey
erschienen in der Badischen Zeitung
am 20/10/2005

Eindrucksvolle Retrospektive im Friedrich-Ludwig-Museum Wieslet widmet sich dem Lörracher Maler Eugen Zimmermann

Modischen Trends zu folgen, war ihm fremd: Der Maler Eugen Zimmermann (1907-1990) blieb stets sich selbst und dem Gegenständlichen treu und einem "moderaten Expressionismus" verpflichtet. So charakterisierte Nikolaus Cybinski den Künstler, der an der Karlsruher Akademie studiert hat und langjähriger Kunsterzieher in Lörrach und Mitglied des Lörracher Künstlerkreises war. Jetzt erinnert eine eindrucksvolle Retrospektive mit Landschaften, Porträts, Figurenbildern und Stillleben im Friedrich Ludwig-Museum in Wieslet an den geschätzten Maler.

Zu sehen sind aus dem Familienbesitz 23 Ölgemälde aus den 1960er- und 1970er-Jahren, die zum größten Teil noch nie ausgestellt waren. Was auffällt an Zimmermanns Bildern, ist neben dem wunderbar ausgeprägten Farbempfinden ein sehr überlegtes und wohl ausgewogenes "Komponieren" der Farben, Formen und Flächen. Diese kompositionell durchdachte Bildgestaltung war ihm sehr wichtig und er verstand es meisterhaft, Landschaft oder Figur in sorgfältiger Pinselführung oder kraftvoll pastoser Spachteltechnik bildnerisch zu komponieren.

Die Werkauswahl aus einer Phase, in der Zimmermann "exzessiv" gemalt hat, zeigt die VielfäItigkeit und Vielfarbigkeit seines Oeuvres. Man sieht darin Einflüsse des Expressionismus in den satten, starken Farben, den kräftigen schwarzen Konturen, dem vereinfachten, aber gestisch gesteigerten Ausdruck. Zimmermann hat, so kann man fast sagen, aus der Nähe zum Expressionismus eine eigenständige Ausdrucksform für sich gefunden, expressiv aufgeladen, aber doch geordnet in der Bildkomposition. Einiges wie die "Drei Gekreuzigten", mag noch an Vorbilder wie Ernst Ludwig Kirchner und die "Brücke"-Maler erinnern, doch erkennt man in vielen Exponaten auch Zimmermanns Weg hin zum Auflösen des Gegenständlichen in leicht abstrahierender Form. Er hat die Farbe sehr strukturiert aufgetragen, teils auch gespachtelt, und auch die Formen immer kleinteiliger strukturiert, ja zerschnitten und neu zusammengefügt. Einige Gemälde in diesem expressionistisch-abstrahierenden Stil sind in der Schau zu sehen.

Zimmermanns hohes malerisches Können bezeugen Bildnisse wie das "Mädchen mit Früchten", die geheimnisvolle Figur mit der Katze, das Frauenbildnis mit Schal oder das Porträt eines sitzenden, Mädchens, das in den Konturen und Umrisslinien fast zeichnerisch wirkt. Großartig im Zusammenwirken der Farben und teils kühn gesteigerten Formen sind auch Landschaften wie die verdichtete Ansicht von Ötlingen, der "Dorfweg", der "Schluchsee", aber auch Reiseeindrücke von Sizilien und Venedig, die der Maler nach Skizzen geschaffen hat. Vieles im Werk von Eugen Zimmermann hat eine gewisse Schwere wie in dem Bild "Zwei weiße Blüten".

Doch es gibt auch Arbeiten von überraschender Leichtigkeit, Helligkeit und Spontaneität wie die "Alpenveilchen". Spannend ist auch zu verfolgen, wie der Künstler in einem späteren Bild" Verblühte Sonnenblumen" wieder mehr zur konkretisierten Form zurückfand. Gerade im Umfeld der expressionistischen Ludwig-Bilder im Museum sind diese malerisch so qualitätsvollen Arbeiten von Zimmermann sehr gut aufgehoben. Denn sie vermitteln, so Cybinski, das Zeugnis von ästhetischer Empfindsamkeit und persönlicher Integrität.

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Gegenstand und Form

von Prof. Bernhard Bischoff
anlässlich des Kataloges zum 80.Geburtstag
im Jahre 1987

Zum Werk des Künstlers Eugen Zimmermann

Wenn auch die Frage gegenständlich oder nicht für Kunst heute etwas antiquiert erscheinen mag, so kann sie doch, wie ich meine, für die Kunst Eugen Zimmermanns einige wertvolle Aufschlüsse bringen. Der Künstler selbst sagt, daß er nie auf den realen Gegenstand in seinen Bildern verzichten möchte. Auch ein nur grober Überblick über sein Werk lehrt sehr schnell, daß es sich hier um Kunst handelt, die nie eine Bindung an den Gegenstand ausläßt. Eugen Zimmermann also ein Maler der Realität? Die etwas provokativ gestellte Frage führt zentral zu einer Eigenart der Kunst Zimmermanns, wenn auch nicht sofort zu einer schlüssigen Antwort. Denn zweifellos läßt der Überblick über seine Kunst auch bald erkennen, daß expressive Steigerungen von Farbe und Form, flächige Verspannungen, vielfach Verzicht auf Raum und Plastizität nicht für realistische Malerei im engeren Sinne sprechen. Somit wäre Zimmermann kein Maler der Realität? Im Gegensatz dazu haben wir Anteile des Realen in seinem Werk bereits notiert. Und auch die Aussage des Künstlers selbst betont Bindungen an das Objekt. Sicherlich ist es ein Bereich, der differenzierter angegangen werden muß. Es mag daher sehr lohnend erscheinen, den Stellenwert von Gegenstand und Form im Werk Zimmermanns etwas stärker auszuloten.

Von seiner Ausbildung her - Zimmermann hat seine künstlerischen Studien vornehmlich an der Kunstakademie Karlsruhe in den Jahren 1927 - 32 unternommen - ließen sich vergröbernd zunächst zwei Einflußströme für den Kunststudenten feststellen. Der eine wäre der mehr impressionistische seines Malklassenlehrers Karl Dillinger, dem wir auf ähnliche Weise begegnen beim gleichzeitig dort lehrenden Trübner-Schüler Hermann Goebel. Beide haben in der Studienzeit zweifellos Eugen Zimmermann in gewisser Weise geprägt. Eine zweite, anders geartete Spur in Zimmermanns Studienzeit war die des Malers Georg Scholz, dessen zupackende Sachlichkeit, oft kritisch engagiert, ihre Bedeutung für den werdenden Künstler Zimmermann hatte. Vergleichbare Einflüsse mögen auch von Hermann Gehri ausgegangen sein. Vereinfachend dürfen wir also für die Studienjahre Zimmermanns an der Karlsruher Kunstakademie zwei hauptsächliche Strömungen festhalten: Impressionistische Malerei und die Kunst der sogenannten Neuen Sachlichkeit. Damit wäre sowohl der flüchtig beeindruckende als auch der in seiner Dinghaftigkeit gesteigerte Gegenstand als Faktor für die Kunst des lernenden Eugen Zimmermann von Bedeutung.

In Karlsruhe kommt allerdings noch eine weitere Beeinflussung hinzu, wenn auch zunächst mehr unterschwellig. Es ist die des eigenartigen August Babberger, der damals ebenfalls an der Karlsruher Akademie lehrte und der sicher zunächst eine noch mehr verborgene Rolle für Zimmermann spielen sollte.

Dies wäre also eine gewisse Bilanz der Studienjahre von Eugen Zimmermann. Wenn wir aber wieder auf die angedeutete Bedeutung des Gegenstandes in seiner Kunst zurückkommen wollen, so finden wir heute überraschenderweise einiges anders als wir vermuten. Die Gegenständlichkeit Zimmermanns ist im späten Werk beileibe nicht impressionistisch augenblickshaft erfaßt, auch nicht sachlich gesteigert und erst recht nicht magisch oder kritisch engagiert. Da Gegenstand aber durchweg vorhanden ist, mag es sich lohnen der besonderen Eigenart dieser Gegenständlichkeit im späten Werk Zimmermanns in ihrem Kontakt zur künstlerischen Form etwas nachzuspüren.

Wenn wir uns beim Künstler selbst nach dem Entstehungsprozeß seiner Bilder erkundigen, so ist bemerkenswert, daß - wenn wir einmal die Reise-Skizzen-Bücher ausnehmen - fast nie ein Gegenstandserlebnis Ausgangspunkt einer Bildwerdung ist. Häufiger ist demgegenüber dies ein Fleck, eine unruhige Fläche, ein bildnerischer Zufall, der erst nachträglich Gegenstand, reale Assoziation oder Objekt-Bedeutung erhält. Der Gegenstand hat für Zimmermann immer wieder die Eigenart eines nachträglich gedeuteten, das zunächst ungegenständliches Formgebilde war. Zwar werden im weiteren Schaffensprozeß die Gegenstände vielfach geklärt und Erfahrbares dazugefügt, doch bleiben Erfahrungen abstrakter Formgesetzlichkeit nie außeracht.

»Ein Bild muß Halt bekommen« sagt Zimmermann häufig. Und diesen Halt bekommt das Bild nicht durch verstärkte Gegenständlichkeit oder gar Schwerkraftbetonung, Halt bekommt es eher durch Einbau, Einspannen des Gesamten in die Bildfläche. Dieses verstärkte Betonen der Fläche auf Kosten von Raum und Plastizität läßt sich fortschreitend im Werk Zimmermanns beobachten. An hier ausgestellten Stilleben wird es besonders deutlich: Etwas frühere Stücke haben mehr Körpervolumen und Perspektive und so mehr gegenständliche Deutlichkeit. Spätere Stilleben verzichten immer mehr auf Plastizität und Räumlichkeit, sowohl in Zeichnung als auch in Farbe. Farbperspektive überhaupt zeigt sich bei Zimmermann vielfach in absoluter Umkehrung: Warme helle Töne finden sich oftmals hinten, kalte Blaus im Vordergrund, entgegen der realen Erfahrung. Bei Zimmermann setzt sich der Gegenstand mit der Gesetzlichkeit der Bildfläche auseinander, fügt sich dieser meist, ordnet sich unter. Nie hat der Gegenstand Eigenwert, nie wird er magisch oder literarisch-poetisch, nie will er aufrütteln oder missionieren. Stimmungen oder Gefühlsausdrücke im Physiognomischen gehören nicht zu Zimmermanns künstlerischen Interessen. Bezeichnenderweise werden auch Porträts im engeren Sinne im späten Werk Zimmermanns immer seltener.

Der Gegenstand ist zwar stets vorhanden, aber genauso stets in untergeordneter Funktion. Er ordnet sich der Fläche, der Farbe, der Linie, also der formalen Komponente unter. Insoweit ist die Kunst Zimmermanns nicht primär realistisch. Andererseits ist sie auch nicht abstrakt im Sinne von abstrahiertem, verschlüsseltem Gegenstand. Nicht die Zeichenhaftigkeit des Objekts für sich ist wichtig, sondern dessen Bindung an Elemente des Bildnerischen.

Offenbar also hat dieses Bildnerische, die formale Komponente einen besonders wichtigen Stellenwert im Werk Zimmermanns. Wir müssen uns dieser Seite seiner Kunst gesondert zuwenden. Gibt es hier Bevorzugungen? Gestaltet Zimmermann primär aus der Farbe, aus der Linie, der Kontur, der Fläche? Hier gibt es zwar von Bild zu Bild Unterschiede; es gibt immer mehr grafische, mehr malerische Lösungen, selten sind reine Flächenteilungen, selten reine Farbfleckenbilder. In der Hauptsache aber mag auffallen, daß Zimmermann ein Bild oft aus verschiedenen Komponenten orchestriert: Fast alle Grafiken haben malerische Anteile, Flecken und Tonwerte neben den Linien, fast alle Malereien haben Grafisches, kräftige Konturen und freie Linien. Besonders interessant aber ist zumeist die Zusammenfügung solcher Bereiche: Fast nie deckt sich ein Liniengerüst exakt mit den Farbgrenzen, fast nie füllt Farbe lediglich grafische Flächenstücke. Fast immer geht Farbe über Linie weg - oder unten ihr durch. Der grafische Bildbau deckt sich absichtsvoll nicht mit dem farbigen, nähert sich diesem allenfalls an. Mag sein, daß von ferne gesehen manches Bild gelegentlich etwas von einem alten Glasfenster hat, wenn man es aber genauer betrachtet, so verschieben sich Gerüst und Farbe doch immer merkbar. Der dunkle Steg ist also nicht die konturierende Grenze zwischen zwei Farbflächen, er liegt oft daneben! Im genauen Wortsinne gibt es eigentlich die Kontur als Grenze von Farbflächen bei Zimmermann nicht.

Manche, besonders spätere Werke Zimmermanns muten gelegentlich an wie zwei übereinander gelagerte verwandte Bilder, obzwar das eine mehr grafischer, das andere mehr malerischer Natur ist. (Dazu käme, daß gelegentlich das eine der Bildgarnituren mehr gegenständlicher, das andere mehr gegenstandsloser Natur ist!). Eugen Zimmermann ist also in einem ganz eigentümlichen Wortsinne Maler und Grafiker. Selten ist er entweder Maler oder Grafiker, viel häufiger ist er in seinem Werk Maler und Grafiker zugleich. Erweitern ließe sich diese Feststellung dadurch, daß Zimmermann im späteren Werk vor allem in einem Bild oft gegenständlicher und ungegenständlicher Maler zugleich ist. Damit erhält die am Anfang gestellte Frage nach Realität eine weitere dem Künstler gemäßere Dimension.

In beiden Fällen dieser eigentümlichen Verknüpfungen aber handelt es sich nie um vollkommene Verschmelzungen oder totale Integrationen. Stets bleibt ein Quantum Eigenständigkeit der Einzelfaktoren, Zimmermann vermeidet die vollkommene Deckungsgleichheit. Dies ist sowohl im direkten Wortsinne, als auch im übertragenen der Fall! Sowohl Aussage, als auch Form divergieren im Bild ein wenig.

Gelegentlich aber - wenn auch nicht allzu häufig - gibt es doch einen stärker verwandten Klang zwischen dem grafischen und dem malerischen Gerüst eines Bildes. Dies erzeugt dann einen vorsichtigen Zug ins Ornamentale oder besser Rhythmische einer Komposition. In diesem Falle mag dann doch, wenn auch unbewußt, eine Erinnerung an die Lehrerpersönlichkeit August Babberger aus Karlsruhe im späten Werk Zimmermanns aufklingen. Babbergers Bemühungen, die Teile eines Bildes in dynamischer Rhythmik auf der Fläche zu organisieren, ist hier durchaus verwandt.

Sonst aber hatten wir Anlaß immer wieder eine gewisse Lösung Zimmermanns von seiner künstlerischen Ausbildung festzustellen. Es bleibt aber die Frage nach Beeinflussung aus der gegenwärtigen Kunst. Unmittelbare Vorbilder aus der Kunst dieses Jahrhunderts sind eigentlich wenige vorhanden. Gelegentlich mag man sich entfernt an Landschaften von Kirchner oder an die Kunst Franz Marcs erinnert fühlen. Aber insgesamt gibt es im späten Werk Zimmermanns, außer einer mehr allgemeinen Verwandtschaft zum Expressionismus und Fauvismus keine eigentlichen künstlerischen Ahnen.

Interessant ist, daß Zimmermann trotz eines kunstwissenschaftlichen Studiums mit abschließender Promotion bei Wilhelm Pinder in seiner Kunst – übrigens auch in seiner Lehre als Kunsterzieher an Gymnasien - frei geblieben ist von wissenschaftlichen Spekulationen. Eine relativ große Kunstkenntnis hat also beileibe nicht zu einem Eklektizismus geführt! Bemerkenswert ist dagegen vielmehr, daß sich der heute Achtzigjährige eine auffallend jugendliche Frische, eine aktive Kraft, ein starkes inneres Leuchten und Leben in seiner Kunst bewahrt hat. Dabei spricht der Künstler nicht so sehr durch Gegenstand und Motiv seiner Bilder, sondern mehr durch Aussagen der kräftigen Farben und Formen in Annäherung an Gegenstände. Annäherung und nicht Verschmelzung! Dieses dynamische und prozeßhafte Aufeinanderzubewegen der Bereiche, diese eigentümlichen Berührungstendenzen von Farben, Formen und Gegenständen im Bild machen in meiner Sicht einen Wesenskern der Kunst Eugen Zimmermanns aus.

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Vom Bildkeimling zur bewußt gestalteten Form

von Willi Ferdinand Fischer
erschienen in der Badischen Zeitung
am 19/09/1979

Zur Ausstellung Prof. Dr. Eugen Zimmermanns in der Villa Aichele, Lörrach

Die seit vergangener Woche in der Villa Aichele laufende Ausstellung des bekannten Lörracher Kunsterziehers und Malers Eugen Zimmermann ist gewissermaßen ein Nachklang seines siebzigsten Geburtstages vor zwei Jahren. Damals gab es Schwierigkeiten mit dem Termin, heute holt die Stadt nach, was 1977 nicht möglich war, wohl wissend, daß Eugen Zimmermann nicht irgendwer ist, der durch Zufall in die Zunft geriet. Er gehört zu den herausragenden - heute sagt man: profiliertesten - Künstlern der Regio und der Baar, von, der er, der gebürtige Villinger, stammt, und kann auf seine gediegene Ausbildung an der Kunstakademie Karlsruhe und sein kunstwissenschaftliches Studium bei dem einstberühmten Wilhelm Pinder verweisen, bei dem er auch summa cum laude promovierte.

Harte Arbeit und ein immenser Fleiß standen also am Anfang seines Weges in die Kunst, und beides finden wir in dieser umfangreichen Ausstellung auf Schritt und Tritt wieder. Der erste auffallende Eindruck schon im Flur der kunstfreundlichen Villa: Hier begreift einer die Malerei noch als bewußte Gestaltung, deren Grundlage die gekonnte Zeichnung ist, ohne die Bewußtheit zur Konstruktion erstarren und erkalten zu lassen, nein - und das macht ihn zum Künstler, unterscheidet ihn vom bloßen "Macher" - er hebt die Überlegung, das Geplante wieder auf, so daß es am Ende auf dem fertigen Bild vergessen wird.

Dies ist das Erregende an Eugen Zimmermanns Kunst und das besondere Erlebnis auch in dieser die Vielfalt seines Könnens offenbarenden Ausstellung. Nirgends gibt es bloß Hingemaltes, rasch Gepinseltes, aus dem Augenblick Eingegebenes. Jede kleine Struktur, so unscheinbar, so zufällig, ja, "zugegebenes. Jede kleine Struktur, so vorkommen mag, ist geplant als Bestandteil des Ganzen, so daß sich der "Bildkeimling", wie Eugen Zimmermann gern sagt, aus vielen Einzelheiten zum vollendeten Bild aufbaut.

Die Ausstellung bietet viele Möglichkeiten, dies zu erleben. Schon im Eingang wird man gebannt von den Landschaften auf der einen, den Menschengruppen auf der andern Seite, gebannt auch von dem streng gebauten, dezent getönten Selbstbildnis, das wie übrigens die weitaus meisten Bilder zu längerem und wiederholten Betrachten einlädt. Gerade die bewußte Gestaltung zwingt zum genaueren Hinsehen, zum Studium. Die Strenge des Malers gegen sich selbst verlangt vom Betrachter eine ähnliche Strenge, eine erhöhte Aufmerksamkeit, die nicht im Vorbeigehen möglich ist.

Wer dies bedenkt, wird reich beschenkt, wird gewahr werden, daß sich die Kunst etwa von der Heimatmalerei unterscheidet (die in ihrem Rahmen auch ihren Platz haben darf), die Malerei erst im Verwandeln zur Kunst wird und Eugen Zimmermann die Landschaft souverän zerschlägt, um aus den Elementen ein Neues, ganz Eigenes zu schaffen, das mit der Wirklichkeit allenfalls die Umrisse gemein hat. Dafür sind der "Schluchsee morgens" (18), das "Gehöft im Schwarzwald" (26), die "Landschaft um Burg Staufen" (27) und das "Kandertal bei Marzell" (29) schöne Beispiele, das schönste allerdings ist wohl das Ölbild "Graswogen im Rebland" (55), auf dem der Isteiner Klotz in neuer Sicht und für diesen Künstler bezeichnender Gliederung zu bewundern ist.

Seiten ließen sich füllen mit Sätzen zum Lobe dieser Kunst, wenn wir die ganze Spannweite Zimmermanns auch nur andeuten wollten. Er kennt sich aus in den verschiedensten Techniken und setzt sie zur Darstellung seiner Vorwürfe ein, und ungezählt sind die Motive, die Ideen, die sich zuletzt gar des Surrealen bemächtigen, "Gelbe Handschuhe und dunkle Formen" (36) zusammenzwingen, "Gegensätze am Fluß" (38) aufspüren, "Schimmelpilz und faule Kartoffeln" (40) ins Bild bringen oder die Antike im Gegensatz zur modernen Kunst beschwören und die Frage herausfordern, ob dieser Weg nicht in wesensfremde Gefilde führen könnte.

Deshalb wenden wir uns gern den Stilleben, den meisterhaft gebauten stillen Leben zu, die nichts mit "Stil" zu tun haben, wie manche Leute immer noch glauben. Sie zeigen noch einmal die Kraft des Künstlers in der Komposition; besonders eindrucksvoll in dem "Gesteck von der letzten Geranie" (16), in dem die Erinnerung des Künstlers an seine Mutter mitschwingt und die Feinfühligkeit des Dankbaren deutlich wird, schön auch im "Grauen Stilleben mit Wasseriris" (44), das mit anderen starken Bildern das Treppenhaus zu einer Kunstnische besonderer Art erhebt, wie denn überhaupt die Hängung der Bilder im ganzen Haus, bei der Freunde behilflich waren, ein besonderes Lob verdient.

So unvollständig dieser Hinweis auf die Ausstellung bleiben muß, so sehr muß ich schließlich doch auf seine Menschendarstellungen aufmerksam machen, die seit je einen breiten Raum im Schaffen des Künstlers eingenommen haben. Für alle andern stehe hier das "Glücksspiel" mit den beiden hoffenden, zweifelnden, zwischen Willen und Schicksal sinnenden Frauengestalten und den feinfühlig und wissend eingesetzten Farbtönen, ein Meisterwerk, an dem sich alle wesentlichen Eigenheiten des Malers trefflich studieren lassen. Wer die Ausstellung besuchen will, nehme sich Zeit, viel Zeit. Er wird reichlich belohnt werden.

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